Was ist Kulanz? Unter Kulanz versteht man gemeinhin das Entgegenkommen zwischen einer Partei und einer anderen, oftmals zwischen Händler:innen und Kundschaft oder zwei Vertragspartner:innen. Dabei ist Kulanz nicht mit Garantie oder Mängelhaftung zu verwechseln. Vielmehr handelt es sich bei Kulanz um eine Form der Großzügigkeit in Ausnahmesituationen; dies kann Rückgaben, Umtausch, Rabatte oder Schenkungen umfassen. Wichtig: Zur Kulanz gibt es keine rechtliche Verpflichtung.
Kulanz kann nicht eingefordert werden, man muss sie gewähren. Interessant daran ist, dass sich das Wort über die Jahrhunderte hinweg in seiner Bedeutung maßgeblich verändert hat: Was früher noch als besserwisserischer Ratschlag gemeint war – “als Kaufmann keine Schwierigkeiten machen” –, ist heute eher ein strategischer Schachzug in Kundenmanagement und Marketing.
Wer sich kulant zeigt, wird von der Kundschaft oft als “großzügig”, “sympathisch” oder auch “gefällig” wahrgenommen. Und das ist prinzipiell auch gar nicht so falsch. Problematisch wird es erst dann, wenn Kundinnen und Kunden daraus für sich einen Anspruch ableiten. Das folgende Beispiel soll illustrieren, was wir meinen, wenn wir “Kulanz” sagen:
Frau Müller, eine treue Stammkundin, sucht für ihren Sohn Timo ein Geschenk für seinen Geburtstag und entscheidet sich im Bekleidungsgeschäft Fashion für ein T-Shirt aus der Sommerkollektion. Einige Tage später kommt Timo Müller mit seinem Geschenk persönlich ins Bekleidungsgeschäft und möchte das T-Shirt gegen ein anderes Produkt aus dem Sortiment umtauschen. Die verschenkte Ware ist nicht beschädigt und frei von Mängeln. Timo Müller hat also grundsätzlich keinen rechtlichen Anspruch auf einen Umtausch; er kann sich – innerhalb von 14 Tagen und mithilfe seines Belegs – allenfalls auf sein Rückgaberecht berufen und das erstandene T-Shirt zurückgeben. Die Kassiererin, welche die Familie Müller schon seit Jahren kennt, tauscht das T-Shirt für Timo aber trotzdem um. Sie bietet dem Kunden somit eine konstruktive Lösung für sein gegenwärtiges Problem an und kommt sogar seinem Wunsch entsprechend nach. Die Kundenzufriedenheit steht im Mittelpunkt.
Die Kulanz gehört nicht zu den vertraglichen Pflichten zweier Partner:innen, sondern ist ein einseitiges Entgegenkommen einer einzigen Vertragspartei. Dieses Entgegenkommen ist freiwillig und gutmeinend. Das bedeutet, dass sowohl Kundschaft als auch Unternehmen auf gleiche Weise auf vertraglich feststehende Rechte bzw. Ansprüche verzichten, sobald sie sich bewusst für ein kulantes Angebot entscheiden. Wichtig: Kulanz kann immer nur nach einer vollständig erfüllten Auftragsabwicklung gewährt werden, nicht davor. Außerdem ist Kulanz scharf von Garantieansprüchen zu trennen.
Kulanz, wie gesagt, wird gewährt und kann nicht erzwungen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn alle Ansprüche seitens der Kundschaft rechtlich ungültig oder erloschen sind. Schwierig wird es, wenn Kundinnen und Kunden Garantie oder Mängelhaftung mit Kulanz verwechseln. Wir haben Dir deswegen hier alle Unterschiede zwischen Mängelhaftung, Mängelfreiheit und Garantie aufgelistet:
Eine Garantie gilt immer nur für einen bestimmten (und in der Regel limitierten) Zeitraum; sie gilt als eine gesonderte oder zusätzliche Leistung zur Mängelhaftung, ist dabei aber keine rechtlich verbindliche Leistung, sondern ein freiwilliges Angebot. Vorsicht: Wird ein Garantieversprechen bei Abschluss eines Kaufvertrages abgegeben, so ist dieses Versprechen trotzdem rechtlich verbindlich.
Sobald Produkte oder Dienstleistungen an Kundinnen und Kunden verkauft werden, müssen diese frei von Sach- und Rechtsmängeln sein – Du als Unternehmer:in bist dazu verpflichtet. Der Begriff “Sachmangel” bezieht sich hierbei auf die Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes, der Begriff “Rechtsmangel” meint weitere mögliche Parteien, welche einen Anspruch geltend machen könnten.
Sobald das Prinzip der Mängelfreiheit nicht gewährleistet ist, wird das Prinzip der Mängelhaftung aktiviert: Als Unternehmer:in wirst Du somit in Haftung genommen und bist entweder zu einer Nachleistung verpflichtet, musst einen Rücktritt vom Kaufvertrag akzeptieren oder sogar Schadensersatz leisten.
Gerade als Kleinunternehmer:in gilt das Thema “Kulanz” als besonders sensibel. Einerseits müssen Stammkundinnen und Stammkunden bei Laune gehalten werden, andererseits sollen neue Kundinnen und Kunden das Geschäft nicht ausnutzen, sondern wiederkommen – in beiden Kategorien sendet die Gewährleistung von Kulanz die richtigen Signale.
Trotzdem ist Vorsicht geboten: Bei kleinen Unternehmen mit hohen Margen kann eine Kulanzvergabe schnell finanzielle Probleme mit sich bringen. Es gilt, Kosten und Nutzen miteinander abzugleichen. Dabei hilft Dir eine Gliederung in zwei Bereiche: die gerechtfertigte Kulanz und die ungerechtfertigte Kulanz:
Wenn Du darüber nachdenkst, Kulanz zu gewähren – und das ist meistens eine Entscheidung, die in Bruchteilen von Sekunden getroffen wird –, solltest Du auf folgende Punkte achten:
Im Umkehrschluss zieht dies vor allem zwei Fälle der ungerechtfertigten Kulanz nach sich. Sollte einer dieser beiden Fälle zutreffen, solltest Du Dich unbedingt von der Gewährleistung von Kulanz distanzieren:
Wenn wir von “Kosten” und “Nutzen” sprechen, müssen wir auch näher auf die konkreten Vorteile (und Nachteile) eingehen, die Dir als Unternehmer:in durch Kulanz entstehen.
Vorteile der Kulanz |
Nachteile der Kulanz |
Kundenbindung sowie zusätzliche Werbung; ein Unternehmen, das Kulanz gewährt, wird oft als “menschlich” und “warmherzig” wahrgenommen. |
Kulanz wird oft missverstanden und als selbstverständlicher Service erwartet, bspw. Umtausch von Waren bei Nichtgefallen. |
Mehrkosten sind möglich, aber künftige Aufträge, die durch das Gewähren von Kulanz entstehen können, gleichen diese Extrakosten in der Regel aus. |
Zu viel Kulanz kann einen erheblichen finanziellen Schaden auslösen und Dein Unternehmen sogar in die Insolvenz treiben. Ein sauberes Controlling und eine gut kommunizierte Richtlinien zur Kulanz Deinen Mitarbeitenden gegenüber ist absolut notwendig, um das zu vermeiden. |
Durch das Gewähren von Kulanz bist Du immer auch im Gespräch mit Deiner Kundschaft. Auf diese Weise erfährst Du, wie Deine Kundinnen und Kunden die Qualität Deiner Arbeit, Produkte oder Serviceleistungen bewerten. |
Wer in seinem Unternehmen ein klares und eindeutiges Kulanz-Management aufbaut, d. h. Richtlinien schafft, die allen Angestellten dabei hilft, die Sachlage schnell einschätzen zu können, sorgt für Sicherheit und Planbarkeit. Auch in finanzieller Hinsicht. Immerhin muss jedes einzelne Gewähren von Kulanz als Geschäftsvorfall registriert und im Rechnungswesen berücksichtigt werden. Dabei sollte es aber im Idealfall nicht belassen werden. Das Zauberwort lautet: Controlling.
Auch wenn es definitiv wünschenswert wäre, es bei Kulanzfällen bei einem Geschäftsvorfall im Rechnungswesen belassen zu können – leider reicht dies in der praktischen Umsetzung oftmals nicht. Vielmehr ist Controlling gefordert. Dazu sind ein paar Schritte nötig, die wir Dir hier im Folgenden aufzeigen möchten:
1. Daten sammeln: Warum und in welchem Zusammenhang kam es zu Kulanzfällen? Häufen sich diese Fälle bei den gleichen Angeboten?
2. Kennzahlen erheben: Kennzahlen sich wichtig, um die Kulanzfälle in Relationen zu setzen. Drei Kennzahlen sind dabei von entscheidender Bedeutung:
1) der Vergleich von Kulanzkosten, die sich im Umsatz niederschlagen,
2) sämtliche Kulanzfälle, die auf alle Verkäufe anfallen
3) Kulanzfälle pro Verkäufer:in.
3. Maßnahmen ableiten: Sobald Du alle Daten und Kennzahlen zur Hand hast, kannst Du entsprechende Maßnahmen ableiten. Sind beispielsweise nur bestimmte Produkte von Kulanz betroffen? Tritt das Gewähren von Kulanz nur bei einer bestimmten Person aus Deinem Team auf? Hier sind ein Plan fällig und klare Ansagen.
Solange Du diese Komponenten im Blick behältst, kann beim Gewähren der Kulanz nichts schiefgehen.
Haftungsausschluss: Unsere Beiträge stellen ausschließlich unverbindliche Informationen ohne Gewähr auf Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität dar. Es handelt sich dabei um keine Rechts- oder Steuerberatung und erhebt keinesfalls den Anspruch, eine solche darzustellen oder zu ersetzen.