Zweifelsohne hat uns die Corona-Pandemie alle vor neue und bisweilen große Herausforderungen gestellt. Schon während des ersten Lockdowns im März und nun durch die zweite Welle zeigte sich, wer besonders von den Beschränkungen betroffen ist: die Gastronomiebranche. Während viele noch um das Fortbestehen ihrer Cafés, Bars oder Restaurants bangten*, haben Max Schiller und sein Team im „Bella Martha Café“ in Grafrath die Sache selbst in die Hand genommen und ihren Betrieb im Nu digitalisiert. Pro Wochenende kamen sie so auf rund 120 Bestellungen. Im Interview erzählt Max, wie ihnen Mund-zu-Mund-Propaganda, eine Noreply-Adresse und seine Karriere bei der Post bei der Umstrukturierung geholfen haben. Zudem teilt er seine Erfahrung in seiner Checkliste für Gastronomen mit uns.
Max Schiller und sein Team begrüßten ihre Kunden im „Bella Martha Café“ trotz Lockdown on- und offline. Ein einfaches Bestellsystem und der eine oder andere zusätzlich gebackene Kuchen machten das möglich.
Max, stell‘ Dich doch gerne einmal vor. Und dann erzähl‘: Wie ist Dein Café derzeit organisiert?
Hi, ich bin Max Schiller. Ich bin 34 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder, 3 und 7. Ich liebe Konzerte, Musik und natürlich Essen. Bis vor Kurzem hatte ich noch mein eigenes Café mit Kuchen- und Eissortiment, mittlerweile arbeite ich im „Klubhouse“ in Fürstenfeldbruck bei München. Die Erfahrungen aus meiner Zeit als selbstständiger Cafébetreiber haben mich in Sachen Digitalisierung am Stärksten vorangebracht und können auch für andere Gastronomen hilfreich sein.
Vor der Corona-Umstellung mussten wir im „Bella Martha Café“ noch viel rotieren: Eine Person befand sich hauptsächlich in der Küche und vier weitere waren im Service, also an der Bar oder als Runner beschäftigt. Boniert haben alle. Ich bin immer noch sehr stolz auf mein Team, weil es diese stressigen Phasen so toll gemeistert hat. Durch die Digitalisierung konnten wir uns dann neu aufteilen.
“Der Lockdown war eine regelrechte Befreiung”
Was hat den Anstoß zur Umstrukturierung gegeben – Corona, nehme ich an?
Ja, Corona natürlich auch. Vor allem war es der damit verbundene Lockdown. Er hat es uns erlaubt, mal auf die Stopptaste zu drücken und unser System in Ruhe überdenken zu können, ohne dass uns der Tagesbetrieb aufhält. Das war eine regelrechte Befreiung. Wir konnten so das Menü umschreiben und entspannt das Interieur umbauen, weil es zwei oder drei Tage am Stück gab, an denen wir geschlossen hatten. So ging die Umstellung in einem Rutsch statt step by step mit zu langen Pausen und zwei Systemen, die parallel zu laufen hätten.
Mit welchen digitalen Tools hast Du hier gearbeitet?
Ich habe mithilfe von Wordpress eine Homepage gebaut und das schon von Beginn an. Dazu suchte ich ein passendes Plug-In aus, mit dem Kontaktanfragen in Form von Tickets hinterlegt werden konnten. Wir haben die Seite praktisch mit einem Bestellformular versehen, ganz ohne Anmeldung. Als Bestätigungs-Mailing fungierte eine Noreply-Adresse. So konnten wir seit dem Lockdown im März jedes Wochenende rund 120 Bestellungen entgegennehmen.
Warum hast Du beschlossen, nicht auf Lieferdienste wie Lieferando zurückzugreifen?
Die Kosten haben mich abgeschreckt, genau wie die Reservierungsmodalitäten und die nur wöchentliche Zahlung, die an mich erfolgt wäre. Überhaupt bin ich ein Typ, der auch in der Küche alles von der Pike auf selbst machen möchte. Am liebsten würde ich sogar meinen Dinkel selbst anbauen, damit ich die volle Kontrolle über alle Zutaten und Ressourcen habe. Auf meiner Homepage konnte man sehen, dass ich alles Mögliche von vornherein bedacht habe: sowohl das Bestellsystem als auch die Möglichkeit, die Website selbst ohne viel Aufwand zu modifizieren. So konnten auch andere aus dem Team Wordpress ganz einfach bedienen.
Wie sah Euer Alltag im digitalisierten Betrieb letztlich aus?
Um 18 Uhr hatten wir am Samstag offiziellen Bestellstopp. Trotzdem haben wir noch eine kleine Menge zusätzlich vorproduziert. So konnten wir Kunden, die spontan vorbeikamen und etwas zum Mitnehmen wollten, auch mit Kuchen versorgen. Als die beste Idee hat es sich außerdem herausgestellt, unseren Hauslimonaden-Sirup in 0,5l-Bügelflaschen abzufüllen. Das wurde ein richtiger Verkaufsschlager.
“Sortiment und Bestellsystem in drei Tagen”
Wie wurden Deine Kunden auf Euer Angebot aufmerksam?
Das lief vor allem über Mund-zu-Mund-Propaganda. Viele Alternativen gab es ohnehin nicht, die meisten Cafés hatten einfach geschlossen. Wir waren wohl auf weiter Flur die Einzigen mit einem echten Angebot für Zuhause. Das hat uns im Endeffekt viele neue Kunden beschert. Durch den Lieferservice kannten sie unser Angebot und haben sich von dessen Qualität selbst überzeugt. Wir haben nach der Öffnung am 27. April festgestellt, dass es – zu unserer großen Freude – viele neue Gesichter gab, die uns nach der Belieferung auch persönlich besuchen wollten.
Wie gut ist es Euch gelungen, bei Euren Verpackungsmaterialien auf Einwegplastik** zu verzichten?
Wir haben schon immer auf die Themen Umwelt und Recycling geachtet. Im Café hatten wir zum Beispiel von Anfang an Glas Strohhalme. Die Deckel unserer Eisbecher waren aus Maisstärke hergestellt und unsere Tüten waren die braunen aus Recyclingmaterial. Bei uns war wenig bis gar kein Plastik im Umlauf. Ursprünglich hatten wir auch mal „ReCup“ im System, aber da die meisten Kunden ihre eigenen Becher mitgebracht haben, war das gar nicht notwendig.
Welche praktischen Tipps würdest Du Unternehmer*innen für Ihre Digitalisierung an die Hand geben?
Ganz wichtig: schnell sein! Neue Systeme testen, neue Systeme mitentwickeln. Es kommt aus meiner Sicht darauf an, die Schockstarre zu überwinden und das eigene System dynamisch an die Bedürfnisse der User beziehungsweise Kunden anpassen. Wir haben ja auch gleich am ersten Wochenende aktiv gehandelt und innerhalb von drei Tagen Sortiment und Bestellsystem aufgesetzt. Das war der Schlüssel zum Erfolg in dieser turbulenten Zeit.
Max Schiller (34) im Interview mit ready2order
*Wenn auch Du Dir Sorgen um die Zukunft Deines Betriebs machst, können Dir die Überbrückungshilfe III und die individuellen Hilfsprogramme der Bundesländer möglicherweise weiterhelfen. Informiere Dich jetzt, welche Unterstützung Du wo beantragen kannst.
**Im Juli 2018 wurde im EU-Parlament ein Verbot für Einwegplastik in Supermärkten und Lieferdiensten beschlossen. Bis spätestens zum 3. Juli 2021 sollen demnach alle Essenslieferanten vollständig auf Einwegplastik verzichten, um Strafzahlungen zu vermeiden.
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Julie Mayrhofer
Content Manager
Als Content Manager bei ready2order dreht sich für Julie alles um den perfekten Text. Egal ob Blogposts, Reports oder Support-Artikel, sie textet sich die Finger wund. In ihrer Freizeit verschlingt sie Bücher und tobt sich gerne mit allerlei kreativen Hobbys aus.
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